Juden in Deutschland

„Ich glaube, dass junge Juden hier keine Zukunft haben“.

Diesen Satz sagt die 46-jährige Evelyn Mende. Sie ist mit 8 Jahren nach Deutschland gekommen und wird jetzt zusammen mit ihrer Tochter Golda zurück nach Israel gehen.

„Es ist aber normal, dass ich meine Kette mit dem Davidstern außerhalb des jüdischen Gymnasiums immer unter die Kleidung stecke“, sagt die fünfzehnjährige Golda. „Die Jungs tragen im Sommer Basecap und im Winter Mütze über der Kippa.“ Auch Evelyn Mende trägt den Davidstern verdeckt. Dazu habe ihr schon in den 80er-Jahren ihre Mutter geraten. „Wir wollen niemanden provozieren.“ (Die Welt, 27.4.2019)

Eine Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) unter 16.395 Personen (über 16 Jahren) aus 12 EU-Ländern ergab: Nirgendwo sind so viele Menschen antisemitisch belästigt worden wie in Deutschland.
Antisemitismus scheint in der Gesellschaft so tief verwurzelt zu sein, dass regelmäßige Belästigungen für die Befragten zum Alltag geworden sind.

Knapp 80 Prozent melden schwerwiegende Vorfälle nicht bei der Polizei oder einer anderen Stelle. Der Grund hierfür ist oft der Eindruck, dass eine Meldung nichts bewirken würde.

Gefragt, wer die Täter seien, geben 31 Prozent an: „Jemand, den ich nicht beschreiben kann“. 30 Prozent sagen: „Jemand mit einer extremistischen islamischen Ansicht“. 21 Prozent nennen „Jemand mit einer politisch linken Ansicht“, 21 Prozent „Mitschüler, Mitstudenten oder Kollegen“, 16 Prozent „Teenager oder Teenager-Gruppen“, 13 Prozent „Jemand mit einer politisch rechten Ansicht“. Oft überschneiden sich die Angaben auch.

41 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, im vergangenen Jahr eine antisemitische Erfahrung gemacht zu haben, 52 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Beide Werte liegen deutlich über dem EU-Schnitt (28 Prozent bzw. 39 Prozent).

Außerdem verzichten 75 Prozent der befragten Juden in Deutschland – manchmal, häufig oder immer – auf das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit. 46 Prozent der Juden in Deutschland vermeiden es, gewisse Gegenden in ihrer Umgebung aufzusuchen. „Dass als Juden erkennbare Menschen aus Angst vor Anfeindungen gewisse Gegenden nicht mehr betreten wollen, halte ich für alarmierend“, sagt der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Klein.

Der FRA-Umfrage zufolge gaben 41 Prozent der befragten Juden in Deutschland an, dass die Täter einen muslimischen Hintergrund hatten. Andere politische Tätergruppen wurden seltener genannt – Rechte mit 20 Prozent und Linke mit 16 Prozent.

Europaweit glauben neun von zehn Befragten (89%), dass der Antisemitismus in den letzten fünf Jahren in ihrem Land zugenommen hat.

Sie bewerten den Antisemitismus im Internet und in den sozialen Medien als am problematischsten (89%), gefolgt von öffentlichen Räumen (73%), Medien (71%) und im politischen Leben (70%).

Die häufigsten antisemitischen Äußerungen, denen sie begegnen, sind regelmäßig und besagen, dass „sich Israelis gegenüber Palästinensern wie Nazis verhalten“ (51%), dass „Juden zu viel Macht haben“ (43%) und dass „Juden den Holocaust für ihre eigenen Zwecke ausbeuten“ (35%).

Die Befragten stoßen am häufigsten auf solche Aussagen online (80%), gefolgt von anderen Medien als dem Internet (56%) und bei politischen Ereignissen (48%).

Im vergangenen Jahr (2018) wurden laut RIAS 1083 antisemitische Vorfälle in Berlin registriert, 14 Prozent mehr als im Vorjahr.